ZHAW
Nadina Müller und Selcuk Yildirim sind Professor:innen am Institut für Lebensmittel und Getränkeinnovation an der ZHAW. Zusammen leiten sie das Projekt, wo das Potential von Nebenströmen der Agrar- und Ernährungsindustrie für die Entwicklung von Lebensmittel- und Verprackungsprodukten aufgezeigt wird.
AVINA unterstützt Nadina Müller und Selcuk Yilidrim damit, viele verschiedene Nebenströme technologisch sowie ernährungsphysiologisch zu evalulieren und schlussendlich in der Lebensmittel- respektive Verpackungindustrie Verwendung zu finden.
Nadina Müller und Selcuk Yildirim geben uns einen Einblick in ihre Forschungsarbeit, erklären, wie der Impact der Verwendung eines Nebenstroms gemessen werden kann und klären über potenzielle Folgeforschungsthemen auf, die auf der Bewertung ihrer verschiedenen Nebenströme aufbauen könnten.
Bitte beschreibt das Projekt VALorization of Swiss Agri-Food Side Streams (VALISS) in maximal 5 Sätzen.
Lebensmittelabfälle sind weltweit ein wichtiges Thema, da entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette erhebliche Mengen an Lebensmitteln verloren gehen, davon 35% bei der Lebensmittelherstellung. Heute werden die Nebenströme der Lebensmittelindustrie in der Schweiz hauptsächlich für geringwertige Anwendungen wie Tierfutter, Biogas- oder Kompostproduktion verwendet oder verbrannt. Beispiele für Nebenströme sind Stärkeknollen, Kartoffelschalenabfälle; Futtermittel auf Getreidebasis, Biertreber, Müllerkleie; Ölsaaten, Sonnenblumen- und Rapspresskuchen; Gemüse- und Obstverarbeitung, Apfeltrester, Traubentrester; Fleischverarbeitung, Hühnerfedern, Eierschalen, Gelatine; Milchverarbeitung, Molkeprotein; andere, Altspeiseöl, Kaffeesatz, Kakaobohnenschalen oder Kaffeebohnenschalen. Im Rahmen dieses Projekts wird das Know-How über die in der Lebensmittelindustrie anfallenden Nebenströme einschliesslich ihrer detaillierten chemischen, physikalischen und techno-funktionalen Eigenschaften untersucht und es werden Verfahren entwickelt, um die Nebenströme zu wertvollen Lebensmittel- und Verpackungsproduken aufzuwerten. Die Erkenntnisse über die potenzielle Nutzung der Nebenströme und ihrer Bausteine für Lebensmittel- und Verpackungsanwendungen, einschliesslich des Mehrwerts, der sich daraus ergebenen Auswirkungen auf die Umwelt, der potenziellen Herausforderungen sowie des wirtschaftlichen Potenzials und der erforderlichen lebensmittelrechtlichen Schritte (z.B. neuartige Lebensmittelanwendungen) werden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, um eine maximale Wirkung der Forschungsergebnisse zu erzielen.
Kann der Impact der Verwendung eines solchen Nebenstroms gemessen werden? Und falls ja, wie?
Die Nutzung eines Nebenstroms zur Herstellung von Lebensmitteln oder Verpackungen führt immer zu einem Produkt, das ein bestehendes Produkt ersetzen kann. Dies bedeutet, dass die Umweltauswirkungen sowie die sozialen und wirtschaftlichen Kosten der Herstellung des Ersatzprodukts in Zukunft vermieden werden können. Von diesem Nutzen müssen die zusätzlichen Auswirkungen der Verarbeitung des Nebenstroms und seiner Umwandlung in das neue Produkt sowie der Nutzen der derzeitigen Verwendung des Nebenstroms abgeleitet werden. Wenn beispielsweise 1 Tonne Buttermilch von Futtermitteln zu Lebensmitteln verwertet wird, gehen wir davon aus, dass eine Milchmenge mit demselben Nährwert wie 1 Tonne Buttermilch ersetzt werden kann, so dass die Unweltauswirkungen der Milchproduktion verringert werden können. Die Buttermilch, die vor der Innovation an die Tiere verfüttert wurde, muss jedoch durch andere, pflanzliche Futtermittel ersetzt werden, so dass die Auswirkungen der Produktion von mehr Futtermitteln von den Einsparungen abgezogen werden müssen, ebenso wie die zusätzlichen Auswirkungen der Herstellung, des Transports und der Lagerung des neuen Buttermilchprodukts aus dem Rohmaterial des Nebenstroms. In den meisten Fällen sind die Vorteile der Aufwertung des Nebenstroms viel höher als die zusätzlichen Auswirkungen.
Was wäre der ideale Output des Projektes für Euch?
Wir planen einen Entscheidungsbaum für die Verarbeitung verschiedener Kategorien von Nebenströmen, der sowohl wertschöpfende als auch schwierige Komponenten berücksichtigt und es den Lebensmittelherstellern ermöglicht, die Verwendung der Nebenströme entweder für Lebensmittel- oder für Verpackungsanwendungen zu maximieren. Darüber hinaus werden beispielhafte Produktprototypen entwickelt, die als Leuchtturmlösungen die Möglichkeiten der Nebenstromverwertung aufzeigen sollen. Schliesslich sehen wir das Potenzial für Folgeprojekte auf der Grundlage des Projekts VALISS, um marktreife Lebensmittel- und Verpackungslösungen zu entwickeln.
Was sind potenzielle Folgeforschungsthemen, die auf Ihrer Bewertung der verschiedenen Nebenströme der Agrar- und Ernährungswirtschaft aufbauen könnten?
Die Ergebnisse des Projekts werden eine solide Grundlage für die Produktentwicklung bilden, und daher werden angewandte Forschungsfragen im Mittelpunkt stehen, um Lösungen zur Marktreife zu bringen. Darüber hinaus könnte sich nach dem derzeitigen Stand des Projekts ein zusätzlicher Forschungsschwerpunkt im Bereich der Dekontamination von Nebenströmem ergeben, da mehrere der untersuchten Nebenströme kritische Komponenten wie z.B. Mykotoxine, Pestizide oder Verunreinigungen aus der Verarbeitung enthalten. Darüber hinaus müssen Fragen zur optimalen Gestaltung spezifischer, derzeit nicht verfügbarer Verarbeitungstechnologien, wie z.B. die wirtschaftliche Trocknung pulverförmiger oder pastöser Rohstoffe, angegangen werden, da diese Lösungen eine zirkuläre Nutzung von Lebensmitteln wirtschaftlich attraktiver machen würden.
Inwiefern ist die Zusammenarbeit mit AVINA für Euch von besonderem Wert?
AVINA bietet eine einzigartige Art der Projektfinanzierung, da es ihr ausdrücklicher Wunsch ist, Projekte zu finanzieren, von denen mehrere Partner profitieren, so dass wir die notwendige Grundlage für die Nutzung von Nebenströmen in einer vorwettbewerblichen Weise schaffen können. Darüber hinaus ist ihre aktive Teilnahme an den Projekttreffen eine Freude. Schliesslich haben wir die Erfahrung gemacht, dass AVINA bereit ist, auf begründete Anfragen hin Projektanpassungen zu diskutieren, was uns die nötige Flexibilität bietet, um die Forschung so effizient wie möglich zu gestalten.